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Evangelikal oder Postevangelikal?

Bist du evangelikal oder postevangelikal? 

Mir scheint es, dass manche Christen nur in Schubladen denken können. Dabei merken sie offenbar nicht, dass die Schubladen selbst oft nicht passen, welche sie fein säuberlich etikettiert und darin das Gegenüber einsortiert haben. Wenn ich mir so anhöre, was Evangelikale sind oder sein sollen, dann sage ich mir: Ich war wohl nie evangelikal.

Mir scheint, dass manche aus solch engen theologischen Denkzirkeln kommend, sich nun zu befreien suchen, indem sie Mauern niederreissen, die sie selbst so sehr einengten und einst selbst in aller Vehemenz aufzurichten trachteten. Theologie ist halt immer auch ein Stück weit Biographie. Dieser Befreiungsschlag ist jetzt wohl die Befreiung der einstigen engen Evangelikalen, die sich jetzt freie Postevangelikale nennen. Auch dies wieder eine Schublade, die mir nicht so recht zu passen scheint.

Bist du postevangelikal? Wenn ich so sehe, was darunter wohl alles zu verstehen ist, dann muss ich für mich sagen: Nein, ich bin kein Postevangelikaler, da ich wohl nie wirklich ein Evangelikaler war, wie die Evangelikalen von den Postevanglikalen gesehen werden. Was bist du dann? Du musst dich entscheiden! Evangelikal oder postevangelikal?

Ich habe keine Lust auf das Spiel der Worte und Schubladendenken mag ich auch nicht. Mich interessiert in Bezug auf theologische Fragen eher: Wer ist der Mensch, der mir konkret gegenüber steht? Welche theologische oder ethische Position vertritt er zu konkreten Themen? Welche Bedeutung hat die Schrift in seiner theologischen Argumentation und welchen hermeneutischen Ansatz vertritt er in der Auslegung der Schrift? …

Vielleicht mach ich es mir zu leicht, oder ich blick es einfach nicht. Ich kann mich hierbei weder wirklich als Evangelikaler noch Postevangelikaler bezeichnen. Für mich war auch meine theologische Entwicklung eine Reise begleitet auf meinem Weg mit JESUS, dem ich als meinem HERRN und ERLÖSER nachfolge. Auf diesem Weg erlebte ich weder diese Enge des scheinbaren Evangelikalismus noch dieses: JETZT sehe ich alles ANDERS, JETZT endlich habe ich es VERSTANDEN und daher werfe ich alles FRÜHERE über BORD und mach mich frei von allen theologischen Fesseln, jetzt bin ich postevangelikal. 

Das Erkenntnis wächst, liegt in der Natur der Sache, dass sie Stückwerk ist ebenfalls. Ob hierbei Schubladen mit entsprechender Etikettierung nützlich sind und weiterhelfen bezweifle ich.

 

Wie geht es dir mit der Frage: Bist du evangelikal oder postevangelikal?

 

Ps. Ich will mit diesem Post wirklich niemanden angreifen, oder die Frage an sich als unsinnig bezeichnen, der Post spiegelt gut postmodern nur meine momentane subjektive Empfindungen hierzu wieder.

 

#evangelikal #postevangelikal

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Kommentare: 7
  • #1

    Daniel Leitner, Norden (Ostfriesland) (Sonntag, 24 März 2024 18:43)

    Ich weiß nicht genau, was man unter "postevangelikal" versteht. Aber mir fällt es momentan immer schwerer, mich noch als "evangelikal" zu bezeichnen, wenn ich mitbekomme, dass immer mehr sog. "Evangelikale" in Amerika Donald Trump unterstützen und auf seine Wiederwahl hoffen und dafür beten, und manche deutsche "Evangelikale" aus ähnlichen Gründen die AfD unterstützen und wählen. Was für Gründe das sind? Sowohl Trump, als auch die AfD, sind gegen Abtreibung, gegen Homosexualität und gegen eine "Islamisierung des Abendlandes", und damit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Alle anderen Themen werden dabei ausgeblendet, der ganze Faschismus und Nationalismus, Fremdenhass, ... . Ich bin auch gegen Abtreibung. Aber beim Stichwort "Lebensrecht" geht es mir nicht nur um ungeborene Kinder, sondern auch um im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge. Wie kann man mit gutem Gewissen für das Lebensrecht Ungeborener kämpfen, und dabei die jenigen unterstützen, die kein Problem damit haben, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken? Da kann ich nur angewidert den Kopf schütteln. Da kann ich nur noch sagen, ich bin kein "Evangelikaler", jedenfalls nicht so einer. Da kann ich mich nur in aller Schärfe distanzieren. Wenn ich deswegen "postevangelikal" bin, dann bin ich das wohl. Aber bisher konnte ich mit diesem Begriff nichts anfangen.

  • #2

    Friedrich Kleemann (Sonntag, 24 März 2024 19:39)

    Gut nachvollziehbar und gut zu lesen, was Du schreibst! In einem Gespräch auf dem Weg vom Zahnarzt erklärte mir letzthin ein Bruder, "Postevangelialismus" sei ein Begriff, den Christen von außerhalb der mit "postevangelikal" gemeinten Gruppen gebildet hätten.
    Es gibt halt einige Autoren, in den USA. Und woanders. Vielleicht auch Michael Diener. Oder Martin Benz. Die erklären, was sie, als Leute, die "Postevangelikale" genannt werden könnten, meinen, denken, glauben.
    Denen müsste man begegnen. Manche von den Autoren sind fachlich bestimmt nicht auf dem Niveau deutscher akademischer Theologie. Wie auch immer, man müsste ihnen begegnen.

  • #3

    Friedrich Kleemann (Sonntag, 24 März 2024 19:43)

    Der letzte Kommentar war an Dich, Marcel, gerichtet. Dem Vorredner wollte ich antworten, dass politische Bezüge vermutlich ein ungeeigneter Bezugspunkt sind für eine Verortung. Und nein, wir sind nicht in D nach 33.

    Und nein, Postevangelikale sind nicht Menschen, die Evangelikale waren und nun nicht Trump wählen! :-D

  • #4

    Hartmut Jäger (Sonntag, 24 März 2024 20:37)

    Natürlich kann man seine Zeit und Energie dafür benutzen neue Schubladen zu entwickeln, zu verfeinern, zu definieren…. Aber wofür?
    In meiner Bibel finde ich keinen Auftrag Menschen in Schubladen zu stecken. Ist ja irgendwie auch eine Art zu urteilen/richten. Aber das ist nicht unser Job, sondern der von unserem Papa im Himmel.
    Also lasst uns auf unseren Auftrag fokussieren und in Liebe miteinander gemeinsam Gott loben und verherrlichen, dann daran wird die Welt ihn und uns als seine Jünger erkennen. Das ist wichtig.
    Das Schubladen-Denken habe ich hinter mir gelassen, sowohl im christlichen Kontext als auch allgemein im Leben. Ich habe es immer mit Menschen zu tun - alle ganz speziell, mit ihren Stärken, mit ihren Macken, alle von Gott geliebt und angenommen. Wofür brauche ich da Schubladen?
    Ich bin Nachfolger Jesu und mir ist egal wie mich andere bezeichnen und in welche Schublade sie mich stecken. Ich habe in meinem Leben in verschiedenen Schubladen gesteckt und nie wirklich reingepasst: den Konservativen zu charismatisch, den Charismatikern zu geerdet, den Liberalen zu konservativ und bibeltreu, und den Konservativen viel zu frei… Eben ein bunter Hund, der nirgendwo reinpasst �
    Das einzige, was mich bei Christen interessiert ist, ob du eine lebendige Beziehung zu Gott hast, ob Gott der Mittelpunkt deines Lebens ist, ob Gott dich verändern und korrigieren darf und du zu Lob und Ehre Gottes lebst. Wenn ja, bist du dabei - in der großen Schublade, in der wir alle sind, alle Nachfolger Jesu. �

  • #5

    Friedrich Kleemann (Sonntag, 24 März 2024 21:59)

    Als Überblick gut. Die Wikipedia Artikel haben wenig Text. Sie enthalten aber eine Reihe weiterführender Links.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Post-evangelicalism

    https://en.wikipedia.org/wiki/Constructive_theology

    https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1060511441

    https://images.thalia.media/00/-/892659abb7594bf3bd31afaafa8f4c63/after-evangelicalism-the-path-to-a-new-christianity-cd-adam-verner.jpeg

  • #6

    Friedrich Kleemann (Sonntag, 24 März 2024 22:04)

    Sorry, der zweite Wikipedia Link ist falsch. :-)

  • #7

    Daniel Schulze (Montag, 25 März 2024 07:28)

    Ich denke, dass man gerne einen Begriff sucht, wenn ein neues Phänomen beobachtet wird. Bisher haben wir oft gesehen, wie Menschen aus der Landeskirche oder katholischen Kirche in Freikirchen gewechselt haben. Nun gibt es vermehrt auch Bewegungen zurück oder ganz aus der Freikirche heraus. Die Gründe sind sicher sehr vielfältig und zeigen auch Probleme innerhalb der Freikirchen auf. Ich finde es sehr wichtig, dass sich damit beschäftigt wird. Schubladen funktioniert gut, wenn man das große Bild verstehen will, im Einzelfall sollte man eher vorsichtig sein. Das Hauptproblem liegt mal wieder bei der Definition des Wortes und darin, dass "Evangelikal" mittlerweile ein eher negativ besetztes Wort ist.